Als Leader Verantwortung (vor-)leben
Von einer Chefin/einem Chef wird erwartet, dass sie/er vorbildlich handelt.
Führungskräfte erwarten heutzutage immer mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung von ihren Mitarbeitenden.
Doch wie können Führungskräfte Selbstbestimmung, Eigen- und Mitverantwortung vorleben? Wie können sie ihre Mitarbeitenden dazu inspirieren?
Unsere Sprache spielt hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle auf die ich in diesem Artikel mit ein paar praktischen Beispielen eingehen möchte.
Es sind die kleinen und sehr starken Wörter “Muss” und “Soll”, die im Alltag unsere eigene Verantwortung für unser Handeln verstecken.
Das “Müssen“ und Sollen” verneint die Verantwortung gegenüber dem eigenen Handeln.
Das “Wollen“ und „Dürfen” zeigt die Kraft selbst zu entscheiden, zeigt damit Eigenverantwortung und erhöht dadurch den inneren Status.
Die Sprachformel der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung
Um in seiner Sprache Selbstbestimmung und Eigenverantwortung vorzuleben genügt eine einfache Formel, die von Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde:
“Ich muss/soll diese Handlung durchführen (Strategie)”
=
“Ich entscheide mich dafür diese Handlung durchzuführen (Strategie), weil mir YZ (Bedürfnis) wichtig ist.“
Also zum Beispiel:
a) Verantwortungsverneinung
“Es tut mir wirklich sehr Leid Herr Baumgart, aber ich muss jetzt noch ein Telefonat führen, daher kann ich mich nicht um ihr Thema kümmern. Später bitte.”
oder
b) Verantwortungsübernahme
“Ich bedaure, dass ich mir gerade keine Zeit für Sie nehmen kann, Herr Baumgart. Ich möchte jetzt ein Telefonat führen, weil mir das Weiterkommen in dem Projekt XY sehr am Herzen liegt. Wie ist das für Sie, wenn ich in ca. 10 Minuten wieder auf Sie zukomme?”
Führungskräfte, die ihren Mitarbeitenden vorleben, dass sie selbst zu Entscheidungen gezwungen werden, können nicht erwarten, dass ihre Mitarbeitenden eigenverantwortlich Entscheidungen im Sinne der Unternehmensziele treffen. Sie tragen ihren Teil zu der Verleugnung der Eigenverantwortung und Selbstbestimmung innerhalb der Unternehmenskultur bei.
Welche Wirkung der unterschiedliche Gebrauch unserer Sprache ausmachen kann, möchte ich an weiteren Beispielen veranschaulichen. Bitte versetze Dich in die Lage eines Mitarbeitenden, wenn Du die Beispielsätze liest. Welche Unterschiede nimmst Du wahr, bei dem was die verschiedenen Aussagen bei dir auslösen. Welche Wirkung haben diese auf Dich und Deine Emotionen?
Beispiel 2:
a) Verantwortungsverneinung
“Entschuldigen Sie meine Verspätung zum Meeting, ich hatte ein Vorstandsmitglied noch vor der Tür getroffen und Sie wissen ja, “oben sticht unten”.
oder
b) Verantwortungsübernahme
“Ich weiß, ich komme 10 Minuten später als vereinbart. Ich hatte mich dazu entschieden, als ich den Vorstand im Fahrstuhl traf und dieser mich über die Ergebnisse des letzten Projektes befragte, da mir viel an der Transparenz und gegenseitiger Rückmeldung liegt. Ich bitte daher um Ihr Verständnis.”
Beispiel 3:
a) Verantwortungsverneinung
“Bei der aktuellen Marktlage bleibt mir nichts anders übrig als das Team zu verkleinern. Ich tue das auch nicht gerne, jedoch bleibt mir keine andere Wahl.”
oder
b) Verantwortungsübernahme
“Bei der aktuellen Marktlage habe ich mich dazu entschlossen unser Team zu verkleinern, da mir viel an einem Weiterbestehen unserer Abteilung und der gesamten Organisation liegt. Wie ist das für Sie, wenn Sie dies hören?“
Beispiel 4:
a) Verantwortungsverneinung
“Ich muss diese Kürzungen vornehmen, egal wie ich dazu stehe. Der Vorstand persönlich hat sie angeordnet. Da haben wir keine Chance.”
oder
b) Verantwortungsübernahme
“Ich habe mich dazu entschieden die Entscheidung des Vorstandes zu akzeptieren und die geforderten Kürzungen sofort vorzunehmen, weil mir viel an der Erfüllung meiner mir gestellten Aufgaben liegt und ich Verantwortung für den Fortbestand des Unternehmens übernehmen möchte. Wie ist das für Sie, wenn Sie dies hören?”
In den ersten Teilen der Beispiele vermittelt die Führungskraft Unfreiheit und Zwang. Sie stellt sich als nicht entscheidende, sondern nur als ausführende Kraft dar. Weiterhin wirkt die Entscheidung statisch und durch das “Muss” werden Entscheidungen entpersonalisiert und emotional abgekoppelt. Die Führungskraft stellt sich, wenn auch nur unbewusst, als ohnmächtig dar. Sie befindet sich in einer Opferhaltung.
Im Gegensatz dazu übernimmt die Führungskraft im zweiten Teil die Verantwortung für das eigene Handeln und macht transparent welches Anliegen sie sich mit den Entscheidungen erfüllen möchte. Sie zeigt damit Integrität bezüglich ihrer Werte, zeigt Loyalität gegenüber dem Unternehmen und den eigenen Vorgesetzten und wirkt, gerade bei unangenehmen Entscheidungen, selbstbewusst und stark.
Durch das Benennen der Bedürfnisse haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit Verständnis zu entwickeln. Sie können begreifen mit welcher Intention ihre Führungskraft gehandelt hat. Dieses Verständnis ist einer der wichtigsten Faktoren für das Commitment des Teams der Führungskraft Vertrauen entgegenzubringen und weiterhin zu folgen.
Weiterhin erleben die Mitarbeitenden eine eigenverantwortliche Führungskraft, die zu ihren Entscheidungen steht. Dies ermuntert bewusst und unbewusst dazu, selbst Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Zusätzlich fragt die Führungskraft in den Beispielen am Ende der zweiten Aussagen manchmal nach dem Befinden ihrer Mitarbeitenden. Auch hier zeigt sie Verantwortung für ihr Handeln und Mitverantwortung. Indem sie Interesse an der Wirkung des Verhaltens auf sein Team zeigt, präsentiert sie sich nicht nur fürsorglich, sondern eben wieder eigenverantwortlich und stark. Schließlich ist sie nicht nur bereit Entscheidungen eigenverantwortlich zu fällen, sondern auch bereit die Konsequenzen dafür zu erkennen und zu tragen.
Welche Unterschiede nimmst Du bei den jeweiligen Varianten a) und b) wahr? Welche Emotionen lösen sie jeweils bei Dir aus und wie empfindest Du das Verhältnis zu der anderen Person?
Wo stehst Du in der Leader-Dimension “Vorbild”? Wie und durch welches Verhalten zeigst Du Deine Integrität? Stehst Du zu dem was Du sagst und übernimmst Du für Dein Handeln volle Verantwortung?